Es ist das Jahr 1793, jede Strasse in Frankreich ist mit Blut beschmiert. Gegen Ende des 18. Jahrhundert revolutionierte das französische Volk gegen die Adeligen. Sobald die Mächtigen verschwanden bzw. enthauptet wurden, irrte dasselbe Volk ohne eine Ordnung durch die Jahre: Es herrschte ein Machtvakuum. Aufgrund dieses Machtvakuum gelangten irgendwelche Pöbel an die Spitze und sorgten für mehr Chaos und vergossen nur noch mehr Blut.
Während Robespierre jeden unter die Guillotine warf, sassen die deutschen Dichter und Philosophen auf ihrem Gartenstuhl und überlegten sich: "Wie können wir den Menschen erziehen, damit es nicht nach jede Revolution zu einer Schreckensherrschaft kommt?" Das war eine der Grundgedanken der Literaturepoche Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik ist als eine Synthese der Aufklärung und des Sturm & Drangs zu verstehen. Denn die Französische Revolution hat gezeigt, dass der Verstand trotzdem ein wichtiges Werkzeug ist, aber so sehr gehört die Natur bzw. die Gefühle und Trieben zum Wesen des Menschen dazu. Daher haben die beiden zentralen Figuren der Weimarer Klassik Goethe und Schiller ein literarisches Programm aufgestellt, dass auch die ungelehrtesten Bewohner lehren soll. Dabei hat sich Schiller konkrete Gedanken gemacht, wie ein Mensch sich bessern kann, er spricht von der "schönen Seele" - ich gehe nicht weiter auf dieses Konzept ein, da mir nur die Art und Weise von Bedeutung ist.
Die Spezialität dieser Epoche liegt in der Umsetzung: Inspiriert von seiner Italien Reise, hat Goethe festgestellt, was Kunst ist. Er hat die (griechische) Antike als Vorbild bezüglich der Kunst genommen. Ästhetisch ist etwas, wenn es starke Gegensätze harmonisch verbindet, wie es in der Laokoon-Gruppe dargestellt ist. In ihren verfassten Texten zeigen Schiller und Goethe das Allgemeine in ihren Figuren und nicht das Spezielle. Der Gedanke ist gewesen, von einer Figur (oder Geschichte) aus solle die Allgemeinheit erfasst werden und folglich die Menschen lehren. So fügen sich die Teile zusammen: Die Bildung des Volkes findet im jeden Einzelnen statt und diese verwendet die Kunst als Überlieferungsmittel.
Für Schiller und Goethe ist die Kunst immer bildend oder zumindest soll sie bildend sein. Ihnen geht es nicht um Ansehen oder Reichtum, wichtig ist die Bildung und Erziehung jedes Einzelnen. Dafür benutzen sie die Literatur. Sie haben nicht nur die Literatur als reines Überlieferungsmittel behandelt, sondern auch gezielt die eigenen Elemente der Literatur verwendet; so wie die Poeten die Sprache nicht nur für Informationsüberlieferung benutzen, sondern auch mit der Sprache gespielt. Dies führt mich zur folgenden Frage: Wie wichtig ist die Literatur heutzutage oder auch in der Vergangenheit? Diese Frage kann ich nicht so einfach ignorieren, da Bücher und das Lesen in unsere heutige Gesellschaft ein wesentliches Merkmal ist.
Natürlich werden einige Erkenntnisse in langen, trockenen Texten überliefert, wie die Lektüren Kants oder die unverständlichen, niedergeschriebenen Gedanken von Hegel. Wenn es aber an das breite Publikum gerichtet ist und ich spreche auch von den Ungebildetsten, dann lehrt man sie am besten mit Geschichten. Nicht weil die blosse Gedanken unverständlich sind, sondern weil Geschichten uns näher stehen. Sie erregen Empathie, Mitgefühl, bauen Spannung auf und aufs aristotelische Drama zurückgreifend, erleben wir den Effekt der Katharsis. Für mich ist es selbstverständlich, dass Geschichten bessere Übermittler der Erkenntnisse sind - wobei ich die Definition der Erkenntnis eingrenzen muss: Ich spreche nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern ich gehe mehr von philosophischen Erkenntnissen aus, so lehrt Schiller uns über die Macht in seinem Drama "Maria Stuart".
Wenn ich in einen Bücherladen gehe, laufe ich immer an einer Abteilung mit der Überschrift "Sachbücher" vorbei. Wie erwähnt sind nicht alle Sachbücher schlecht, aber einige finde ich nicht lesenswert. Ich möchte keine Titeln nennen, aber häufiger Weise gehören die zur Unterkategorie "Self-Help", "Ratgeber" oder der ähnliches. Ich habe keine persönlichen Probleme mit diesen Büchern, aber müssen die wirklich sein? Schiller und Goethe schrieben nicht etliche Essays, über wie man sich bilden solle. Nein, sie drücken ihre Nachricht über die Literatur aus. Ich finde diese Art gelungen. Beim Lesen von Literatur (je nach Buch) wird unser Gehirn aktiv, wir denken nach, analysieren, reflektieren und fantasieren. Somit ist die Literatur in bestimmten Themen einfach geeigneter; wie hätte George Orwell sonst einen totalitären Überwachungsstaat darstellen sollen, als in einem Roman, oder wie soll James Baldwin die Diskriminierung der Schwarzen Amerikaner:innen zeigen, wenn nicht in einem Roman.
Geschichten haben eine lange Tradition. Bei den Höhlenmenschen dienten sie als Handbuch der Sitten. Die Literatur ist mehr als nur Unterhaltungsmittel oder Transportmitteln von Ideen. Sie ist ästhetisch und fördert unser Verstand, sie ist edel und kritisiert gewisse Strukturen. Ich schliesse den Schluss: Die Literatur ist der wichtigste Begleiter des Menschen.